Besonders. Der weihnachtliche Poetry Slam

Leben
Sharon Muska / 19.12.2016
(c) pixabay

Es ist dunkel, wenn wir aufstehen und unser Zuhause verlassen.

Es ist dunkel, wenn wir unsere Arbeit vollbracht haben und nach Hause zurückkehren.

Wir hassen diese Zeit.

So etwas wie Sonnenlicht gibt es nicht, und wenn doch, dann nur durch die dreifach verglasten Wärmeschutzfenster unserer Arbeitsstätte.

 

Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag – immer dasselbe. Egal ob in der Schule oder im Büro, Dauerstress ist angesagt, denn bald ist „es“ wieder soweit.

 

Und dieses „Es“ bezieht sich hierbei nicht nur auf den Heiligen Abend, sondern auch auf die zweiwöchige Schulpause, nach welcher jede Lehrkraft verzweifelt vor einem Haufen ahnungsloser, sich an nichts mehr erinnern könnender Schülerinnen und Schülern steht.

 

„Es“ bezieht sich auch auf sich häufende Urlaubsansuchen. Skifahren, Snowboarden, ein Städtetrip oder einfach nur etwas Zeit mit der Familie verbringen – es gibt viele Gründe, die die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber in dieser Zeit regelrecht panisch werden lassen.

 

Also heißt es lernen, lernen, lernen und arbeiten, arbeiten, arbeiten. Aber es gibt ja noch Hoffnung: die Wochenenden!

 

Wer liebt es nicht? Samstag Vormittag bereits hetzend zu den Öffentlichen Verkehrsmitteln laufen, um ja als erster auf den Einkaufsstraßen zu sein, nur um dann mal wieder festzustellen, dass dieser Plan auch in diesem Jahr leider nicht ganz aufgeht. Genauer gesagt ist das gesuchte Geschenk in jedem Geschäft ausverkauft. Zeit, um im Lager nachzusehen, hat natürlich auch niemand, und gegen Abend kommen wir dann wieder frustriert und durchgefroren nach Hause zurück.

 

Am Sonntag gibt es natürlich auch keine Zeit für Erholung, denn zunächst einmal kommt die Großmutter zum allseits beliebten Mittagessen. Küsschen links, Küsschen rechts, und dann die alljährliche Frage nach dem Weihnachtswunsch, obwohl man genau weiß, dass auch in diesem Jahr wieder nur ein Paar weißer Tennissocken unter dem Christbaum liegen wird. Ist das Essen über die Bühne gebracht, geht es mit der Familie auf den Christkindlmarkt. Auch hier ist alles hoffnungslos überfüllt, und wenn man es doch einmal bis zu den Bratkartoffeln schafft, erwischt man natürlich genau die Verbrannten. Die billig produzierten Coverversionen verschiedenster ausgespielter Weihnachtslieder dröhnen einem die Ohren voll, und in temperamentvollen Verkaufsgesprächen lässt man sich zum Kauf von acht Gläsern feinstem Traditionsblütenhonig hinreißen, nur um zuhause festzustellen, dass man wohl doch keine Verwandten hat, denen so etwas ernsthaft Freude bereiten könnte. Wieder ein Tag vergeudet. Juhu!

 

Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag – es geht wieder von vorne los.

Es ist dunkel, wenn wir aufstehen und unser Zuhause verlassen.

Es ist dunkel, wenn wir unsere Arbeit vollbracht haben und nach Hause zurückkehren.

Und trotzdem lieben wir diese Zeit.

 

Das Gefühl, wenn das selbstgemachte Lebkuchenhaus nach stundenlanger Detailarbeit endlich den liebevoll dekorierten Esstisch ziert, ist unbeschreiblich.

Ebenso wie der feine Duft zart gerösteter Maroni auf dem Nachhauseweg, oder die harmonische Weihnachtsbeleuchtung, durch welche die Stadt in einem ganz neuen Glanz erstrahlt.

 

Wenn wir das Radio aufdrehen, können wir uns sicher sein, dass es gerade entweder WHAM! oder Mariah Carey spielt, aber das macht nichts, denn es gehört dazu. Manche grölen, zumindest nach drei Bechern Glühwein, aus voller Kehle mit, andere summen die Melodien stumm vor sich hin. Auswendig können wir die Texte jedoch wohl alle, und auch das schafft etwas Vertrautes, dass es so nur in dieser Jahreszeit gibt.

 

Aber da ist noch viel mehr: der obligatorische Adventkalender, für welchen man übrigens NIE zu alt ist, die großen, leuchtenden Kinderaugen, wenn man auch nur das Wort „Christkind“ erwähnt, das lebensgroße stromfressende LED-Rentier im Vorgarten der protzenden Nachbarn, der Teig auf den Händen nach dem Formen verführerischer Vanillekipferl, oder das Schreiben von zwanzig verschiedenen, sorgsam ausgesuchten Weihnachtskarten, um den vergessen geglaubten Tanten und Onkeln ersten, zweiten und dritten Grades eine kleine Freude zu bereiten.

 

Insgeheim lieben wir auch die Besuche auf den Christkindlmärkten. Das Gedränge wirkt vertraut. Wenn wir entlang der zauberhaften Stände, bewaffnet mit Punsch, gehen, und dabei den Löffel in der Tasse herumdrehen, könnte die Vorweihnachtszeit ewig dauern, so gemütlich ist die Atmosphäre. Es ist eine Atmosphäre, wie es sie gewiss nur einmal im Jahr gibt. Es ist eine Atmosphäre, die sonst so nirgends anzutreffen ist.

 

Manche lieben sie, manche hassen sie. Aber eines ist sie bestimmt: Besonders.

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Jugendportal.at wurde zuletzt am 17.04.2024 bearbeitet.

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