Heute ist anders

Kultur & Events
Isabell Aigner / 02.05.2017
(c) pixabay

Normalerweise red ich ja nicht so viel. Halte mich höflich im Hintergrund. Anworte auf gestellte Fragen. Bin halt auch da.

Aber heute, heute ist anders. Heute bin ich auch höflich, aber im Vordergrund. Heute stelle ich die Fragen. Heute bin ich nicht nur anwesend, sondern präsent.

Heute rede ich viel. Nämlich ganze sechs Minuten am Stück. Das ist die maximale Redezeit und die koste ich aus. Jede Handbewegung. Jedes Wort. Jede Sekunde.

 

Ich betrete die Bühne und stelle mich ans Pult. Dutzende Augenpaare auf mich gerichtet. Die Jury mustert mich genau. Aber ganz hinten, da tuscheln sie noch. Und der da, in der dritten Reihe, der checkt sein Smartphone. Und die da vorne kramt in ihrer Handtasche. Zuhören ist mühsam. Das kleine Blondchen auf der Bühne ist eh nett. Aber heute ist anders.

 

Ich mache meinen Mund auf und beginne zu reden. Die Worte sprudeln aus mir wie Wasser aus einer Quelle nach der scheinbar ewig dauernden Dürre. Und mit jedem Tropfen wird das Gras grüner. Die Blumen fangen wieder an zu sprießen. Es gibt wieder Hoffnung, weil heute - heute ist ja anders.

 

Ich halte meine Rede. Erzähle die Geschichte. Warum der Bauer ein Millionär ist und das absolut nichts mit Geld zu tun hat. Warum uns die Werbung auf falsche Fährten führt. Warum wir Opfer und Täter zugleich sind. Und warum heute anders ist.

 

In der letzten Reihe haben sie aufgehört zu reden. Der in der dritten Reihe hat sein Handy weggelegt und auch die Handtasche ist jetzt unwichtig. Denn jetzt rede ich. Erhebe meine Stimme. Nicht um zu schreien. Es sind nicht Blitz und Donner, die die Blumen blühen lassen, sondern der Regen. Und so rede ich volle sechs Minuten, bis ich genug Blumen bewässert habe. Das Publikum applaudiert, die in der letzten Reihe, der mit dem Smartphone, die mit der Handtasche. Die Blumenwiese sprießt in allen Farben.

 

Und ich - ich bin stolz. Weil ich über meinen Schatten gesprungen bin. Weil ich etwas geschafft habe, das ich mich noch vor einem Jahr sicherlich nicht getraut hätte. Weil ich gezeigt habe, wozu ich fähig bin. Weil ich die Blumen gegossen habe. Weil ich heute anders bin.

 

(c) NÖ Landjugend

Übrigens: unsere Youth Reporterin Isabell Aigner (6. von links stehend) hat in ihrer Kategorie gewonnen.

Info:

Bundesredewettbewerb 20. - 25. Mai 2017

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Jugendportal.at wurde zuletzt am 23.04.2024 bearbeitet.

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