Mehr als nur ein Zwinger

Engagement
Anna Putz / 04.10.2017
Tierheim St. Pölten

Es ist Ende September als ich Davor Stojanovic im St. Pöltner Tierheim treffe. Die Urlaubssaison ist vorbei – und das merkt man auch im Tierheim: Dutzende Tiere wurden hier in den vergangenen Monaten aufgenommen, gepflegt und zum Teil schon weitervermittelt. Es sind bis zu 1000 Tiere in Not, die jährlich im Tierheim Unterschlupf finden. 1000 Tiere, die auf eine zweite Chance warten.

 

Von Kartons und Müllcontainern

24 Stunden am Tag, 356 Tage im Jahr ist man im Tierheim St. Pölten einsatzbereit, um Tieren in Not zu helfen. Egal, ob es sich dabei um einen ausgesetzten Hund, eine entlaufene Katze oder ein verletztes Reh handelt. Aufgenommen wird, sofern es die Kapazitäten zulassen, jedes Tier. Wie diese ins Tierheim gelangen, ist unterschiedlich. „Unlängst bekamen wir einen Anruf, in dem uns mitgeteilt wurde, dass sich etliche Katzenjunge in einer Kartonschachtel an einem Müllplatz befinden“, berichtet mir Stojanovic. Man habe die Katze und ihre neun Jungen dann in einem äußerst schlechten Zustand mit ins Tierheim genommen – wer die Tiere aussetzte, ist bis heute nicht klar. Auch Hunde werden laufend an das Tierheimtor gebunden oder verwirrt auf Autobahnraststationen vorgefunden. Während meines Besuches wurden drei Mischlingswelpen ins Tierheim gebracht; sie wurden in Amstetten gefunden, wo sie jemand auf einem Misthaufen zurückließ. Geschichten wie diese könne er mir viele erzählen, sagt der Veterinärmediziner. Besonders viele Probleme entstünden durch die Nicht-Kastration der Vierbeiner oder das verlorengegangene Interesse an dem Tier.

Besonders in Sommermonaten werden nach wie vor mehr Hunde als in den übrigen Monaten ausgesetzt, obwohl sich die Lage in den letzten Jahren, aufgrund der zahlreichen Berichterstattung darüber, deutlich verbessert hat. Dazugekommen ist jedoch die Problematik rund um die sogenannte „Hunde-Mafia“ – meist in Osteuropa gezüchtete Hunde, die zu Spottpreisen auf illegale Weise, viel zu früh verkauft werden. „Die Tiere sind zudem oft sehr krank, da sie keinerlei medizinische Versorgung bekamen und zu früh von der Mutter getrennt wurden“, so Stojanovic.

 

Eine neue Chance

Nachdem die Tiere im Tierheim angekommen sind, werden sie von einem Tierarzt untersucht und 10 Tage unter Quarantäne gestellt, da sich innerhalb dieses Zeitraums jede Krankheit symptomatisch äußert. Hintergrund dessen ist, die anderen Tiere nicht mit diversen Krankheiten zu infizieren. Nach diesem Beobachtungszeitraum sind die Tiere bereit um wiedervermittelt zu werden. Ziel ist es, die Tiere so schnell wie möglich weiterzuvermitteln, jedoch nicht um jeden Preis. Es ist wichtig, sie an die richtige Person zu vermitteln.

 

Tierheimmitarbeiterin

In mehreren Therapieräumen werden Hunde auf ein Leben außerhalb des Tierheims vorbereitet.

 

Gerade bei Hunden achtet man darauf, dass Hund und Mensch sich „riechen“ können – ein längeres, jedoch erfolgsversprechendes Prozedere. Ein auszufüllendes Formular soll helfen, Menschen und deren Charakter besser einzuschätzen zu können. Nach Auswertung des Formulars und einem „Kennenlern-Gespräch“ werden passende Tiere den potenziellen Neu-Besitzern vorgestellt. Erst nach einer längeren Kennenlernphase werden Hunde, sofern alle Kriterien (u.a. genügend Zeit und finanzielle Mittel) erfüllt sind, an neue BesitzerInnen übergeben.

„Wir sehen uns als eine Art Drehscheibe – unser Ziel ist es nämlich, die Tiere an einen guten Platz weiter zu vermitteln“, wie der Tierheimleiter ausführt. Die durchschnittliche Verweildauer von Hunden beträgt zwei Monate und zwei Tage, während Katzen durchschnittlich zehn Tage im Tierheim verbringen. Jedoch gibt es durchaus Tiere, die schon acht Jahre in  Obhut des Tierheims leben – „ideal ist das natürlich nicht, denn wir wünschen uns für jedes Tier ein liebevolles Zuhause mit einer Bezugsperson.“

 

Ein Kompetenzzentrum für Tiere

Tierheime – die meisten verbinden damit dunkle Räume, enge Käfige, wenig Platz und verstörte Tiere. Deren Rolle hat sich jedoch speziell in den letzten Jahren enorm gewandelt. „Tierheime sind heutzutage keine Sammelstellen mehr, vielmehr kann von einem Kompetenzzentrum in allen tierischen Belangen gesprochen werden“, so Davor Stojanovic. Es geht mittlerweile nicht nur mehr darum, Tiere aufzunehmen, sondern auch Menschen in Tierbelangen Auskünfte zu geben. Auch in finanzieller Hinsicht, herrscht bei vielen Personen Unklarheit. „Die Menschen denken, dass Tierheime vom Bund finanziert werden“, so Stojanovic. In Wirklichkeit trägt dieser jedoch nur 39% aller Kosten, für den Rest muss das Tierheim selbst aufkommen. Futterspenden von Unternehmen oder Privatpersonen, Mitgliedsbeiträge oder der jährlich veranstaltete Flohmarkt, ermöglichen es dem Tierheim, über die Runden zu kommen. Immer wieder taucht auch die Frage auf, ob im Tierheim Tiere eingeschläfert werden: „Bei uns wird kein einziges Tier eingeschläfert, es sei denn, es ist schwer krank“, klärt der Tierheimleiter auf.

 

Katze, Tierheim

Katzen verfügen sowohl über Innen- als auch Außengehege – große Rücksicht wurde auf viele Versteck- bzw. Klettermöglichkeiten gelegt, um den Bedürfnissen der Tiere gerecht zu werden.

 

Mensch und Tier

„Bei uns zählt jede Katze, jeder Hund, jede Maus. Jedes einzelne Individuum ist für uns besonders und liebenswert“, so Stojanovic, „es ist das Schönste mit den Tieren zu arbeiten“. Trotz all der positiven Veränderungen der letzten Jahre liegt, so Stojanovic, noch viel Arbeit vor ihnen. Denn nicht jeder behandelt Tiere so, wie sie es verdient hätten. Es ist der Tierschutz, der ihm am Herzen liegt, denn: „Wir Menschen müssen endlich verstehen, dass wir nicht besser sind als Tiere. Wir, Menschen und Tiere, leben hier gemeinsam und sollten das im Einklang tun.“

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