"Mein Name ist Gideon Eckhaus."

Youth Reporter in Israel
Lizanne Daniel / 21.11.2017
Störer: 
Gideon Eckhaus

„Mein Name ist Gideon Eckhaus. Ich wurde geboren am 3. Juli 1923 in Wien.“

Gideon Eckhaus‘ Bewegungen haben über die Jahre an Geschick, sein Blick an Schärfe, seine Stimme an Festigkeit eingebüßt. Und ja, es gibt sie, die Momente, in denen seine Konzentration nachlässt und Wahrnehmung Erinnerungen weicht. Dann, wenn er zurückkehrt, in einen Alltag, der nicht mehr existiert und zu Menschen, deren Leben vor langer Zeit geendet hat. Denn mit seinen 94 Jahren blickt Gideon Eckhaus selbst auf ein langes Leben zurück, in dem er Schmerzen gelitten und Erfolge gefeiert hat. Heute nimmt er sich Zeit, uns eine Ahnung von dem zu vermitteln, was für uns nur in Geschichtsbüchern und Museen lebendig wird. Für uns Erzählungen, für ihn Erfahrungen.

 

„Denn Österreich war irgendwie antisemitisch, das kann ich nicht auswischen. Und ich glaube, heute ist es beinahe vielleicht auch dasselbe. Das ist sehr schwierig festzustellen, aus folgendem Grund: Denn heute darf man in Österreich nicht über alles reden. Was ich nicht für richtig halte. Ich glaube, man sollte über alles reden lassen, wenn man in einer Demokratie lebt.“

Das Alter fordert vieles ein. Wachheit, Reaktionsgeschwindigkeit und Kraft. Aber Alter ist vor allem eines: ein Geschenk. Es lehrt uns zu urteilen, zu vertrauen und zu handeln. Und es lehrt uns all diese Dinge für ein Ziel und aus einem Grund zu tun. Frieden.

Lebenserfahrung gehört ungeteilt jenem Menschen, der sie gesammelt hat. Gideon Eckhaus trägt die Schätze einer solchen Erfahrung in sich. Wir dürfen sie bestaunen und versuchen, uns bewusst zu machen, was ihre Geschichte eigentlich erzählt. Wir dürfen unsere Schlüsse daraus ziehen, sie als Inspirationsquelle nutzen und daraus lernen. Und auch wenn sie unseren eigenen Weg nicht ersetzt, wenn wir unsere eigenen Grenzen aufbrechen und über unsere eigenen Schatten springen müssen, so ist sie doch wichtig. Denn sie zeigt Fehler, deren Folgen niemals wieder Teil dieses Weges werden dürfen.

 

Seine schmalen Hände zittern, wenn er sie auf den Tisch legt, in Erinnerung an die unzähligen Handgriffe vergangener Jahrzehnte. Handgriffe des freien Willens und Handgriffe als Antwort auf Befehle.

„Es gibt Menschen, die sind in Ordnung und es gibt Menschen, die sind nicht in Ordnung. Ich kenne solche Menschen, die Österreicher sind, ich kenne solche Menschen, die Deutsche sind, ich kenne Menschen die von Ungarn sind und so weiter. Und wenn ihr’s wissen wollt – das ist auch bei den Juden dasselbe.“

Zu erkennen, dass Unterschiede Synonym für Individualität, nicht aber für Konflikt und Konkurrenz sein muss, scheint die Lösung für so vieles. Und auch wenn schmerzt, zu erkennen, dass diese einfache Tatsache auf so viele Arten verdreht und zerrissen wird, so ist es doch gerade diese Einfachheit, die Halt gibt. Denn das ist Frieden. Eigentlich ganz einfach.

 

Ich merke, dass zuhören schwer ist. Wir sind es gewohnt durch seichte Konversationen zu waten, an dahinplätschernden Bächen entlang zu spazieren. Und wenn das Wasser zu tief wird, schwimmen wir davon. Gideon Eckhaus‘ Stimme aber ist ein Sog und seine Geschichten ein Strudel. Und ich spüre, dass er mit dem Beginn seiner Erzählung Verantwortung in unsere Hände legt, in dem Auftrag und Vertrauen, sorgsam damit umzugehen.

 

 

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Jugendportal.at wurde zuletzt am 17.04.2024 bearbeitet.

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