Pulsierende Körper zwischen Raum und Zeit

Kultur & Events
Alina Hauke / 08.08.2018
Salva Sanchis

Ein lauer Sonntagabend, die Menschenmenge vorm Eingang des Wiener Volkstheaters wird immer größer. Bald beginnt „Radical Light“, ein Stück des spanischen Choreografen Salva Sanchis, eine Produktion des Kunst/Werk Belgium. Im Programmheft des Impulstanz Festivals beschreibt der Tänzer „Radical Light“ als Prozess der „Formalisierung des informellen Tanzes“. Informeller Tanz, das sind die spontanen, intuitiven und gleichzeitig sozial definierten Bewegungen, die jede und jeder von uns ungeplant und rhythmusgesteuert macht, losgelöst von geplanten Bewegungsabläufen. Als Gegenstück dazu beschreibt Sanchis den formellen Tanz, der bestimmten Regeln, Mustern und einer internen Logik folgt. In „Radical Light“ wird nach einer Verbindung dieser beiden Arten des Tanzes gesucht.

Als sich die Menschenmenge in den Saal bewegt, sind die fünf Tanzenden bereits auf der Bühne, es wirkt wie ein Aufwärmen. Energiegeladen nehmen sie die Bühne ein, mal hält der eine still, dann die andere. Erst fehlt der Beat, die schwarze Kleidung der Tanzenden erlaubt einen Fokus auf die Bewegung der Körper. Es ist, als stünde die Zeit still. Dann ein knisternder Bass, jedes Körperteil erforscht denn Rhythmus, jede Bewegung scheint ungeplant. Mal hopsend, mal gleitend, mal geschmeidig, mal scharf, schnell oder langsam – die tanzenden Körper lassen nichts aus. Und immer pulsierend. Es ist ein Erforschen des eigenen Rhythmus – gemeinsam und doch jede und jeder für sich. Folgt der Körper dem Blick oder der Blick dem Körper? Gibt es eine unbewusste Grenze zwischen intuitiver und geplanter Bewegung?

Die Choreografie scheint frei, wie ein Leitfaden zur Improvisation. Natürliche Bewegungen werden mit Elementen aus den unterschiedlichsten Tanzstilen kombiniert, die Übergänge sind fließend, wirken spontan und intuitiv. Die erstaunlich präzise Synchronizität der Tanzenden wird deutlich, als eine Art Stopptanz den Fluss des Tanzes durch abrupte Pausen unterbricht. Vielleicht eine Rückbesinnung auf die freien, ungezwungenen Bewegungen von Kindern? Wie eine futuristische Disko lädt das Stück zum Versinken ein, es geht nicht um künstliche Synchronbewegungen. Vielmehr wird Synchronizität mit Individualität verbunden, denn jeder Mensch macht andere intuitive Bewegungen, tanzt jedes Element auf die eigene Art. Und doch pulsieren alle gemeinsam zum Beat, nicht nur die Tanzenden auf der Bühne.

Das Ende ist abrupt, vielleicht, weil der Puls im echten Leben auch irgendwann einfach aus ist. Das Publikum aber, das vibriert, es folgen tosender Applaus und nicht enden wollender Jubel. Die Verbindung ist gelungen, alles pulsiert.

Link zur Veranstaltung: https://www.impulstanz.com/performances/2018/id1243/

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Jugendportal.at wurde zuletzt am 17.04.2024 bearbeitet.

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