Sprechen, um gehört zu werden

Kultur & Events
Sharon Muska / 20.06.2016
GewinnerInnen Bundesjugendredewettbewerb 2016

Üben, üben, üben. Hat sich der erste Absatz im Gehirn verankert, streikt selbiges beim Zweiten. Der Text wird acht, neun Mal durchgelesen, und beim zehnten Mal springt einem plötzlich eine unschöne Formulierung ins Auge. Ob sie wirklich unschön ist, sei anzuzweifeln, das Umschreiben und Einlernen eines neuen Wortkonstrukts wird jedoch schnell zu einer Mammutaufgabe. Sitzt dann einmal der Text, gehört an Gestik und Mimik geschraubt - nicht zu statisch darf man als RednerIn wirken, aber auch nicht zu euphorisch; nicht zu ernst soll der Blick sein, aber auch nicht zu freundlich. Dutzende Proben für sechs fehlerfreie Minuten – ich hatte heuer das Glück, einen solchen Auftritt zu erwischen. Als Wiener Landessieger in der klassischen Rede qualifizierte ich mich für das Bundesfinale des 64. Jugendredewettbewerbs.

Am 21. Mai dieses Jahres geht es für die FinalistInnen aus ganz Österreich – und Südtirol - in die steirische Landeshauptstadt, Graz, einquartiert in das A&O Hostel, welches durch seine strategisch günstige Lage direkt neben dem Hauptbahnhof glänzt. Es sollen in den folgenden Tagen weniger die Reden, als vielmehr die Gemeinschaft der RednerInnen im Mittelpunkt stehen, ein abwechslungsreiches Freizeitprogramm rundet das Erlebnis ab. So geht es etwa am Sonntag, dem 22. Mai, zu einer Exkursion auf den Erzberg, welcher sowohl von innen besichtigt, als auch mit einem sogenannten Hauly – ein zu einer rollenden Aussichtsplattform umgebauter Schwerlastkraftwagen - befahren wird.

Einen Tag später geht es bereits mit den ersten Reden los. Insgesamt fünf Kategorien stehen im Laufe des Montags auf dem Plan, darunter vier im Kunsthaus Graz und eine, das „Neue Sprachrohr“, im TTZ, dem Tanz- und Theaterzentrum. Die Reden befinden sich durchgehend auf sehr hohem Niveau, nicht selten bin ich froh, kein Mitglied der Jury zu sein. Diese notiert und diskutiert fleißig, während Karoline Zobernig mit Witz und Wissen durch den Bewerb führt. Die Spontanität der Moderatorin zahlt sich vor allem am Abend, in der Sprachrohr-Kategorie, aus, als die Tontechnik im TTZ für die einzige Panne der Veranstaltung sorgt – es gilt, 30 Minuten unterhaltsam zu überbrücken, und diese Aufgabe gelingt ihr ausgezeichnet.

Die Stimmung ist am Dienstag, dem 24. Mai, zumindest für mich eine andere. Natürlich herrscht beim Frühstück unter den Anwesenden gute Laune, die Weckerl sind ebenso frisch gebacken wie in den letzten Tagen, aber das Gefühl, in zwei, drei Stunden mit seiner Rede auf der Bühne des Grazer Kunsthauses zu stehen, lässt einen die Umgebung einigermaßen ausblenden. Die Gedanken sind für mich in dieser Zeitspanne nicht mehr bei Graz, den Ausflügen oder dem Mittagessen, sondern ausnahmslos beim vorbereiteten Text und den dazugehörigen Karteikarten. Akribisch kontrolliere ich mehrmals, ob sich diese auch tatsächlich in der Hosentasche befinden, bevor ich das Zimmer in Richtung Veranstaltungsort verlasse. Die Motivations-Nachrichten meiner Familie auf dem Smartphone-Display lesend hoffe ich, dass erneut alles klappen wird.

Kurz vor dem Auftritt ist die Anspannung wohl – erwartungsgemäß – am größten. Obwohl ich den anderen RednerInnen gerne zuhöre, schaffe ich es kaum, den Blick von den Karteien abzuwenden und mich auf die anderen Botschaften zu konzentrieren, zu wichtig ist es, die eigene Rede noch einmal bis ins letzte Detail durchzudenken. Wieviel diese Methode der Vorbereitung wirklich bringt, sei dahingestellt – es beruhigt jedenfalls nicht, während eines Absatzes nicht weiterzuwissen, selbst, wenn dies nur in den Gedanken passiert. Der Mund ist verdächtig trocken, ebenso die Lippen, ich trinke noch einen Schluck, zupfe hektisch am Sakko. Dann wird mein Name auch schon aufgerufen. Alles geht gut – der Text sitzt, der Anzug auch. Bereits nach den ersten Worten ist die Unsicherheit verflogen, auch auf die anschließend gestellten Fragen finde ich Antworten, ich bin mit mir selbst zufrieden. Vielleicht auch deshalb, weil ich mit meinem Thema „Auf der Flucht“ nicht nur Zahlen und Fakten, sondern in erster Linie eine Herzensangelegenheit vermitteln möchte.

Der Abend beschert uns nach dem Besuch bei der Zotter Schokoladenfabrik einen vollen Magen, am nächsten – und letzten – Tag findet die SiegerInnenehrung statt. Ich bin überrascht – es reicht schlussendlich für den 3. Platz, ein Erfolg, mit dem ich angesichts der anderen Reden nicht gerechnet hätte. Fast noch mehr als die Freude über den Podestplatz überwiegt jedoch die Trauer über die nun folgende Heimreise – Graz ist eine schöne Stadt, die Freundschaft zu den anderen TeilnehmerInnen mittlerweile groß. Für einige wird es vielleicht nicht der letzte Bundesbewerb gewesen sein, die Mehrheit aber blickt wohl auf ein einmaliges Erlebnis zurück. Schön, dass ich dabei sein durfte.

 

 

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Jugendportal.at wurde zuletzt am 17.04.2024 bearbeitet.

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